Begleitet von Protesten und unter aufwendigen Sicherheitsvokehrungen wurde vor dem Schloß Charlottenburg jetzt die erste öffentliche Gelöbniszeremonie von Bundeswehrrekruten in Berlin veranstaltet. Zu dem Ritual waren Bundespräsident Roman Herzog und 300 Ehrengäste, meistens Politiker bundeswehrfreundlicher Parteien, erschienen.

Die Rekruten gelobten, ?der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen?. Dabei wurden das Volk und seine Verteidigungskräfte bei der Zeremonie von 2800 Polizeibeamten auf Distanz gehalten. Der Polizeipräsident hatte vorher Flugblätter mit folgendem Text in die Briefkästen der Schloßanwohner werfen lassen : ?Fremden Personen sollten Sie an diesem Tag keinen Zutritt zu Ihrer Wohnung gewähren?. Am Tage der Feier selbst mußten Anwohner sich ausweisen und Gelöbnis- Besucher ihre Taschen öffnen. Dennoch gelang es 100 mit Trillerpfeifen, Blasinstrumenten und Hupen ausgestatteten Gelöbnis-Gegnern in die Nähe des Zeremoniells vorzudringen, um die Reden von Herzog und Bundesverteidigungsminister Rühe sowie die Marschmusik (Radetzkymarsch, Alte Kameraden usw.) des Heeresmusikkorps zeitweilig zu übertönen. Gegen Höhepunkt des Festaktes haben dann auch noch einige hundert Demonstranten das Schloß erreicht und lieferten sich eine Straßenschlacht mit der Polizei. Die setzte Hunde mit besonders aktiven Kiefern ein : Ein Presse-Fotograf wurde gebissen. Aber auch ein Polizist wurde verletzt, er brach sich ein Bein, als er von einem Polizeiwagen angefahren wurde.

Es darf nicht vergessen werden, daß Berlin in den letzten Jahrzehnten für deutsches Militär eine Tabuzone und Fluchtburg deutscher Wehrdienstverweigerer war. Außerdem können die Gelöbnisgegner, die wollen, daß die Bundeswehr ihre Rituale in den Kasernen veranstaltet, nicht alle über einen Kamm geschoren werden. Zu ihnen gehören Grüne, die halbe SPD, die PDS, ein Pfarrer und eine Kämpferin für den Charlottenburger Schloßparkrasen, der bei dem Ritual stark unter dicken Militärstiefeln zu leiden hatte.

Nach dem Abzug der Siegermächte aus Berlin will die deutsche Regierung nun mit allen Mitteln wieder Militarpräsenz in Berlin zeigen. Ob der ganze Gelöbnis-Aufwand sich lohnt, ist fraglich, denn auch in Deutschland stellt man sich nun nach Haushaltskürzungen die Frage, ob der Wehrdienst weiterhin tragbar ist.

das Gelöbnis : gelofte, gewähren : toestaan, PDS : Partei des Demokratischen Sozialismus, der Rasen : gazon, die Trillerpfeife : fluitje.

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