Wer einen Fuß in der Tür des millionenschweren Volksmusik-Business drinnen hat, der ist ein gemachter Mann. Wie zum Beispiel Karl Moik. Er fing 1970 als freier Mitarbeiter beim ORF (Österreichischer Rundfunk) an und hat sich dann langsam zum Spezialisten für Volksmusik gemausert. 1980 entwickelte er das Heile-Welt-Fernsehspektakel “Musikantenstadl”. Die Sendung kam vor allem beim älteren Publikum bestens an und wurde sofort ein Erfolg. Moik und seine gut gelaunten Freunde schwärmten ihren Anhängern nicht nur von unversehrten deutschen Wäldern und makelloser österreichischer Gebirgslandschaft vor, sondern priesen auch bei Gastspielen in Russland, Kanada, Südafrika und den USA die dortige jungfräuliche und intakte Natur. Mit dem “Musikantenstadl” erreicht Karl Moik in Österreich, Deutschland, der Schweiz und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens höchste Einschaltquoten. Kein Wunder also, dass das volkstümliche Moiksche Erfolgsrezept allerorts kopiert wird und kein Tag vergeht, an dem nicht eine ähnliche Sendung im deutschsprachigen Fernsehen zu sehen wäre. Egal, ob “Musikantenscheune”, “Grand Prix der Volksmusik”, “Volkstümliche Hitparade”, “Frühlingsfest der Volksmusik” (auch die anderen Jahreszeiten sind vertreten) oder “Hitparade der Volksmusik”, sie alle sind mit ihren neuzeutlichen Varianten traditioneller Lederhosen und Dirndl nicht mehr aus der deutschsprachigen Fernsehlandschaft wegzudenken.

Der österreichische Musikant und Fernsehmoderator ist aber nicht nur ein Profi der guten Laune, sondern setzt sein Charisma auch politisch ein, wenn er zum Beispiel im Bereich der Völkerverständigung tätig ist. Nur kurz nach der Öffnung der Berliner Mauer im November 1989 schrieb er mit seiner Sendung aus Cottbus (ehemalige DDR) Fernsehgeschichte. Und nach drei Jahren der Vorbereitung und langwieriger Verhandlungen mit chinesischen Behörden flog Moik jetzt nach Peking, um dort u.a. Karel Gott mit “Rosamunde” und der “Biene Maja” vor dem Mittagstor des Kaiserpalastes der “Verbotenen Stadt” auftreten zu lassen. Im Gepäck hatte er zudem noch ein paar Alphörner, den Radetzky-Marsch, 200 Musikanten-Kollegen und 4000 Fans.

Moik führte in seidenglänzender Peking-Tracht durchs Programm und wurde dabei von der im züchtigen Dirndl eingepackten chinesischen Kollegin Zhou Tao unterstützt.

Spätestens nach der Sendung muss allen Zuschauern klar gewesen sein, dass das Problem mit den Menschenrechten sicherlich übertrieben wird und die (Geschäfts-)Beziehungen zwischen China und dem Westen bestens sind. Eine Hand wäscht die andere. Deutsche und österreichische Fernsehanstalten verbuchen mit Bildern der heilen chinesichen Welt die besten Einschaltquoten und China darf sich dem Westen offen, lächelnd und bunt zeigen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass einige der 800 Millionen chinesischen Fernsehzuschauer nach Ausstrahlung der Sendung im Lexikon den Begriff “Kulturrevolution” nachgeschlagen haben, ist sehr groß.

die Geschäftsbeziehungen: handelsbetrekkingen.

Lanwierig: wijdlopend, langdradig.

sich mausern (hier): zich ontwikkelen tot.

der Stadl: Öster. für Scheune (schuur).

die Völkerverständigung: verstandhouding onder de volkeren.

züchtig: zedig.

Reageren op dit artikel kan u door een e-mail te sturen naar lezersbrieven@knack.be. Uw reactie wordt dan mogelijk meegenomen in het volgende nummer.

Partner Content