Das Phänomen, sich in Top-Positionen der Wirtschaft auf Kosten der Firma zu bereichern, hat Tradition. Jeder weiß, daß ein Generaldirektor alter Schule seinen Privatgarten auch schon mal vom Firmengärtner pflegen läßt, daß die Gattin des Generaldirektors auch schon mal mit dem Firmenwagen und Chauffeur ihre Einkäufe tätigt, und in der Villa des Generaldirektors auch schon mal Firmenmonteure Bad und Küche reparieren. Solche nicht immer vertraglich festgehaltenen Privilegien gelten für viele als selbstverständlich. Das Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben, kommt erst gar nicht auf.

Derlei unbedeutende Vorfälle werden meist bagatellisiert oder unter den Teppich gekehrt. In Deutschland wurden zuletzt einige Fälle schamloser Selbstbedienungspraktiken von Top-Managern aufgedeckt. Hans-Jakob Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Thyssen-Tochter Schulte hatte zur Renovierung seiner Traumvilla für 780.000 DM Bau- und Sachleistungen aus dem Konzern und dessen Lieferantenkreis bezogen ohne Bezahlung versteht sich. Bei einem Jahresgehalt von immerhin 900.000 DM ist dies allerdings ziemlich erstaunlich. Erst ein anonymer Brief an den Aufsichtsrat und die Staatsanwaltschaft brachte die außerordentliche Bereicherung ans Licht. Herr Zimmermann wurde fristlos und ohne Abfindung entlassen. Auch Helmut Lohr, der frühere Chef der Stuttgarter Elektronikfirma SEL, hat nachweislich etwas zu gierig und maßlos zugelangt. Er beglich private Rechnungen aus der Firmenkasse, so zum Beispiel Anwaltskosten für Prozesse seiner Tochter, 33 Ferienflüge nach Mallorca und die Renovierungsarbeiten an seiner spanischen Sommerresidenz.

Einer, der sich von den Vorwürfen der persönlichen Bereicherung zu Lasten des von ihm neun Jahre geführten Konzerns nicht so schnell einschüchtern ließ, war Werner H. Dieter, bis 1994 Chef von Mannesmann. Er wurde noch während des Ermittlungsverfahrens in den Aufsichtsrat gewählt, trat dann aber unter zunehmendem Druck der Öffentlichkeit zurück.

Auch im Fall Dieter hatte erst ein anonymes Schreiben an die Staatsanwaltschaft den Betrug aufgedeckt.

Auch wenn nun einige Fälle der persönlichen Bereicherung auf Top-Manager-Ebene aufgedeckt wurden, ist das noch immer kein Grund zum Jubeln, denn bei einer vermutlichen Dunkelziffer von mindestens 1 zu 10 war hier nur die Spitze des Eisbergs sichtbar. In Deutschland wird nicht nur gründlich gearbeitet, sondern auch gründlich abgesahnt.

absahnen : (fig.) afromen, der Aufsichtsrat : raad van commissarissen, derlei : zulk, die Dunkelziffer : het ?grijze” getal, sich nicht einschüchtern lassen : zich niet bang laten maken, fristlos entlassen : op staande voet ontslaan, alter Schule : van de oude stempel, etwas unter den Teppich kehren : iets verdoezelen, etwas Unrechtes : iets verkeerds, der Vorstandsvorsitzende : voorzitter van het bestuur.

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