Glück scheint das selbstgefällige Geburtstagskind, das sich fast zehn Jahre lang als ‘Kanzler der Einheit’ gefeiert hatte, zu seinem 70. Geburtstag nicht nötig zu haben. Egal was geschieht, Deutschlands Altkanzler Helmut Kohl scheint unantastbar zu sein und zu bleiben.

Kohl feierte seinen Siebzigsten ganz privat und im kleinen Kreise in Oggersheim, denn dort ist die Welt zumindest noch in Ordnung. Offizielle Feiern und Partys gab es nicht. Darauf hatten sich der langjährige CDU-Chef und die Partei ‘in gegenseitigem Einvernehmen’ geeinigt. Das ist auch kein Wunder, denn schließlich hat der mächtige Altkanzler die CDU mit seiner Spendenaffäre und der Vernichtung von Stasi-Abhörprotokollen über CDU-Politiker in die größte Krise der Parteigeschichte geführt.

Im Dezember letzten Jahres hatte Kohl eingeräumt, jahrelang anonyme Spenden in Millionenhöhe angenommen und illegal verbucht zu haben. Da der gewissenhafte Altkanzler sein großes Indianerhäuptlingsehrenwort nicht brechen will, gibt er die Namen der edlen Spender nicht preis und ist verschwiegen wie ein Grab. Ein Mann ein Wort!

Ende Dezember begann die Bonner Staatsanwaltschaft dann mit den Ermittlungen gegen Kohl wegen des Verdachts der Untreue. Kohl hält weiterhin den Mund, er habe dafür seine Gründe, sagt er. Kohl zeigte schließlich finanzielle Reue und wollte mithelfen, den durch sein Fehlverhalten für die CDU entstandenen finanziellen Schaden auszugleichen. Er ging also wieder auf Sammeltour, diesmal waren die edlen Spender jedoch bereit ihre Identität preiszugeben.

Medienunternehmer Leo Kirch, Filmproduzent Artur Brauner, Banker Helmut Guthardt, Schauspielerin Uschi Glas, TV-Moderator Dieter Thomas Heck, Schlagersänger Michael Holm und einige andere haben den gehetzten Kanzler unterstützt. Der arme Politiker und seine Ehefrau Hannelore haben eine Hypothek auf ihr Eigenheim in Oggersheim aufgenommen und zahlen selbst 700 000 Mark. Damit kamen insgesamt 5,9 Millionen Mark zusammen, die er der CDU schenkte. Die Partei nahm das Geld, will mit Kohl jedoch nichts mehr zu tun haben. Auch wenn Altkanzler Kohl seine Partei diskreditiert hat, dürfte der eine oder die andere in der Partei froh darüber sein, das Kohl seine Finger nun nicht mehr im Parteigeschäft drin hat und jüngeren Berufspolitikern Platz machen musste.

Zu seinem Geburtstag wünschte der Altkanzler sich selbst, die ‘jetzige Situation mit Anstand und Würde hinter sich zu bringen’ und einen friedlichen Lebensabend zu verbringen. Letzterer ist wohl allen alten Menschen zu wünschen, wer jedoch Macht missbraucht und kriminelle Geschäfte tätigt, darf nicht auch noch erwarten, geliebt zu werden. Aber wenn das Verlangen der Gesellschaft nach Mittelmaß tatsächlich noch immer genauso groß ist, wie in den letzten zwanzig Jahren, dann wünscht man sich in Deutschland für Helmut Kohl höchstwahrscheinlich einen anständigen und würdevollen Abgang.

der Anstand: fatsoen.

einräumen: toegeven.

die Ermittlungen: gerechtelijk onderzoek.

im gegenseitigen Einvernehmen: met wederzijds goedvinden.

spenden: geven.

der Stasi (Staatssicherheitsdienst): vroegere Oost-Duitse binnenlandse veiligheidsdienst.

tätigen: doen, voor zijn rekening nemen.

die Untreue (hier): oneerlijkheid.

die Würde: waardigheid.

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