Wenn man den offiziellen Zahlen Glauben schenken darf, dann haben NATO-Partner in Bosnien 1994 und 1995 rund 10 000 Uran-Geschosse abgefeuert und im Kosovo-Krieg 31 000 Uran-Granaten gezündet.

Informationen über die im Balkan eingesetzten urangehärteten Geschosse wurden schon vor mehr als einem Jahr in europäischen Zeitungen veröffentlicht – zu einer internationalen Diskussion darüber, ob Uran-Munition Krebs erzeugen kann, kam es jedoch erst, als die Familie des an Leukämie gestorbenen Soldaten Salvatore Vacca beim Militärgericht in Rom Klage einreichte. Vacca hatte an Friedensmissionen in Bosnien und im Kosovo teilgenommen und die Eltern vermuteten einen Zusammenhang zwischen der Verstrahlung des Einsatzgebietes und dem Tod ihres Sohnes.

Danach ging alles sehr schnell: Auch in den anderen Nato-Ländern wurde man hellhörig und stellte sich plötzlich die Frage, ob überhaupt Uran-Munition verschossen wurde und welche kurz- und langfristigen Auswirkungen sie auf die Soldaten haben könnte? Die Gesundheitsgefährdung der vielen Menschen in Bosnien und im Kosovo, die dauerhaft mit der möglichen, auch giftigen Wirkung der Uran-Projektile leben müssen, wurde bisher nur am Rande behandelt.

In Deutschland musste Verteidigungsminister Scharping der Öffentlichkeit und vor allem den unwissenden Soldaten, die sich ziemlich verschaukelt vorkamen, Rede und Antwort stehen.

Er warnte vor Hysterie und sagte, er sehe keine Probleme mit uranhaltiger Munition. Ein von ihm bestellter Wissenschaftler erklärte, ein Gramm abgereichertes Uran strahle ebenso stark wie ‘zehn Liter Badewasser aus Bad Gastein’. Trotz der scheinbaren Unbedenklichkeit der Munition und der doch so überzeugenden Badewasser-Theorie sprach sich Scharping dafür aus, von der Nato ein Moratorium für Uran zu verlangen, schließlich gebe es technische Alternativen zu den Projektilen. Das kommt natürlich für die Nato nicht in Frage, sie will auch in Zukunft nicht auf den Einsatz uranhaltiger Munition verzichten. Das ist nicht weiter erstaunlich, würde ein allgemeines Verbot der umstrittenen Munition doch wie ein Schuldgeständnis aufgefasst werden und zu Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen führen.

Die Bedenken der Öffentlichkeit, die schlechte Moral seiner Truppe und unzureichende Informationen haben den deutschen Verteidigungsminister ins Kreuzfeuer der Kritik gebracht.

Als dann auch noch bekannt wurde, dass US-Streitkräfte 1985 und 1987 auf deutschen Truppenübungsplätzen ‘irrtümlich’ Uran-Munition getestet haben, war das Scharping zuviel.

Er ließ den amerikanischen Chefdiplomaten in Berlin, Terry Snell, kurzerhand einbestellen und verlangte umfassende Aufklärung über die amerikanische Munition aus abgereichertem Uran. Das hat es in den deutsch-amerikanischen Beziehungen so noch nicht gegeben, aber der deutsche Verteidigungsminister war über die Informationspolitik des Bündnispartners deutlich verärgert, ihm liegen offenbar Berichte vor, wonach die Uran-Geschosse auch Plutonium enthalten. Und das Risiko, durch diesen Stoff an Krebs zu erkranken, ist weit höher als bei abgereichertem Uran oder ‘Badewasser’.

In Deutschland und bei den anderen Nato-Partnern werden derzeit Ausschüsse und Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, in den Kriegsregionen Boden- und Wasserproben genommen, Karten über die beschossenen Gebiete erstellt, Soldaten untersucht usw. Solange die Bündnispartner selbst darüber entscheiden, welche Munition sie bei Nato-Einsätzen verwenden, werden auch diese Maßnahmen in Zukunft nicht zu der von der Nato versprochenen Transparenz führen.

abgereichert: verarmd.

der Ausschuß: commissie.

das Bedenken: bezwaar.

hellhörig werden (hier): achterdochtig worden.

irrtümlich: bij vergissing.

der Krebs: kanker.

das Schuldgeständnis: schuldbekentenis.

unbedenklich: zonder bezwaar.

verschaukeln: bij de neus nemen.

die Verstrahlung: radioactieve straling.

zünden (hier): afschieten.

Reageren op dit artikel kan u door een e-mail te sturen naar lezersbrieven@knack.be. Uw reactie wordt dan mogelijk meegenomen in het volgende nummer.

Partner Content