Es ist überall dasselbe: Wer vor Gericht zieht, muss lange warten, ehe er/sie einen Termin bekommt, ehe Beschlüsse und Verfügungen geschrieben werden und ehe die Betroffenen zu ihrem Recht kommen.
Schlimm wird es, wenn die hängig gewordenen Angelegenheiten die persönliche Entwicklung von Kindern, Jugendlichen und Elternteilen beeinträchtigen. Beispiel: Durch Überbelastung in der Kanzlei werden die vom Richter ausgestellten Verfügungen fast immer zu spät bearbeitet und ein Elternteil muss viel zu lange warten, ehe es ein längst beschlossenes Besuchsrecht für sein Kind wahrnehmen kann. Manchmal dauert es sogar Jahre, bis ein Sorgerechtsfall entschieden ist.
Die Situation ist nicht nur für Kläger und Betroffene, sondern auch für die Richter und Kanzleien äußerst unangenehm. Sie fühlen sich durch die gewaltige Arbeitsbelastung unter Druck gesetzt. Für den Berliner Familienrichter Dietmar Reddemann ist die Situation nicht mehr tragbar. Er hat nun Klage gegen das Land Berlin wegen Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit eingereicht. Für ihn ist klar, dass durch die unzumutbaren Arbeitsbedingungen eine Ausübung seiner Richtertätigkeit nach rechtsstaatlichen Gesichtspunkten kaum mehr möglich ist. Herr Reddemann, einer von 1100 Berliner Richtern, hatte die Nase voll und verklagte das Land Berlin. Das trägt die Verantwortung dafür, dass den Richtern die erforderlichen personellen und sachlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihren Pflichten nachkommen können.
Bevor Reddemann die Klage einreichte, hatte die Präsidentin des Kammergerichts ihm ein Dienstvergehen vorgeworfen und ihm eine Ermahnung erteilt. Der Richter hatte unzufriedenen Rechtsanwälten mitgeteilt, dass wegen der Personalsituation in der Kanzlei keine Termine anberaumt werden könnten. Er empfahl den Anwälten, sich deshalb an die Senatsverwaltung für Justiz zu wenden. Für Reddemanns Vorgesetzte hat er damit unerlaubte, deutliche Kritik an seiner obersten Dienstbehörde geäußert.
Der Familienrichter will gegen diese Ermahnung Beschwerde einlegen und wartet voller Spannung auf den Ausgang seiner Angelegenheit vor dem Dienstgericht. Die Behandlung der Sache kann unter Umständen jedoch noch eine Weile dauern.