Die fürchterliche Nachricht des Amoklaufs in einer Erfurter Schule ging sofort um die ganze Welt. Zum ersten Mal hatte sich ein solches Mordszenario in Deutschland abgespielt.
Ein 19-Jähriger war in das Gutenberg-Gymnasium eingedrungen und hatte dort 16 Menschen und dann sich selbst erschossen. Den Polizisten eines Sondereinsatzkommandos bot sich ein Bild des Grauens und vor dem Schulgebäude spielten sich erschütternde Szenen ab. Kinder und Jugendliche rannten verstört aus der Schule und weinende Eltern suchten verzweifelt nach ihren Kindern.
Opfer des Amoklaufs waren hauptsächlich Lehrer und Lehrerinnen. Sie waren das Ziel eines Täters, der vor wenigen Wochen von der Schule verwiesen worden war. Der junge Mann und geübte Schütze hatte die Menschen mit einer Pumpgun und einer weiteren Handfeuerwaffe ermordet. Eine Pumpgun ist eine Waffe, die durch eine spezielle Konstruktion das schnelle Abfeuern mehrerer Schüsse ermöglicht.
Nur wenige Stunden vor Bekanntwerden des Erfurter Massakers verabschiedete der Bundestag ein neues Waffenrecht, das noch Ende Mai im Bundesrat diskutiert werden sollte. Seit dem Amoklauf wird in Deutschland jedoch vielerorts eine drastische Verschärfung dieses Waffenrechts gefordert. Dafür will sich auch Bundeskanzler Gerhard Schröder einsetzen. “Das sind wir den Opfern von Erfurt schuldig”, betonte er. Bei einem Treffen mit Fernsehleuten verabredete er einen runden Tisch gegen zu viele Gewaltdarstellungen in den Medien, bei dem auch die Hersteller von Computerspielen und Internetanbieter einbezogen werden sollen. Außerdem wollen TV-Sender Aufklärungsspots verbreiten, in denen Gewalt als Konfliktlösungsmittel geächtet wird.
Der Kanzler hat einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, er will das Erwerbsalter für Schusswaffen auf 25 Jahre heraufsetzen. 21-Jährige sollten Waffen nur noch nach einem psychologischen Gutachten kaufen können. Und Munition soll demnächst auch nicht mehr in privaten Räumen gelagert werden dürfen.
Während der Schock noch tief in den Knochen der deutschen Gesellschaft sitzt, wird heftig über das “Warum” und die Beweggründe für die schreckliche Bluttat diskutiert. SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen, Psychologen und PolitikerInnen stellen sich viele Fragen. Ist das Waffenrecht schuld? Ist die Gewaltverherrlichung in Medien und Computerspielen schuld? Sind die falschen Erziehungsideale schuld? Ist unsere Gesellschaft schuld?
Ähnlich wie bei dem Mordanschlag auf den niederländischen Rechtspopulisten Pim Fortuyn, der von einem “Weißen” ermordet wurde, war auch in Erfurt wichtig, dass der Täter ein “Weißer” war und einen deutschen Namen hatte. Wäre das Blutbad von einem Immigranten angerichtet worden, dann würde das Thema der öffentlichen Diskussion anders gelagert sein und vielleicht nicht das Waffenrecht, die Gewaltverherrlichung in den Medien und die Erziehungsideale der deutschen Gesellschaft betreffen.