Offizielle Stellen reißen sich nicht gerade darum, den 14. Dalai Lama, das geistliche und weltliche Oberhaupt der Tibeter zu empfangen, denn schließlich bringt jede öffentliche Sympathie ihm gegenüber den mächtigen Handelspartner China zur Weißglut. Im Mai 1995 war der Dalai Lama in Deutschland zu Gast und wurde von Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) empfangen.

Dabei viel der Minister ziemlich peinlich auf, als er dem Dalai Lama das Umhängen des Gebetsschals verweigerte. Dieser diplomatische Fehltritt brachte Kinkel viel Kritik ein.

Während die einen behaupteten, er habe die China-Tibet-Politik der Bundesregierung so klar zum Ausdruck gebracht, meinten andere, der Fauxpas sei eher auf eine gewisse Unsensibilität und Schroffheit seiner Person zurückzuführen.

Wenige Monate später, im November, begibt sich Bundeskanzler Helmuth Kohl in aufwendigem Stil zu einem offiziellen Besuch nach China. Auch der Kanzler wurde scharf kritisiert. Er ließ sich durch Vorwürfe, daß er Menschenrechtsverletzungen in China nicht anspreche und dadurch billige, nicht einschüchtern. Schließlich vertrete er bei seinem Besuch vorwiegend wirtschaftliche Interessen und sichere durch Handelsabkommen deutsche Arbeitsplätze.

Man sollte also meinen, daß die Bundesregierung und die Partei in Peking es gut miteinander können. Aber aufgepaßt, denn das Wundermittel gegen schlechte Auftragslagen, das da heißt ?Handelspartner China?, hat so manche unerwünschte Nebenwirkung.

Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung organisierte im Juni in Bonn eine Tibet-Konferenz. Wichtigster Gast war der Dalai Lama, Pekings Staatsfeind Nummer eins. Von nun an überschlagen sich die Ereignisse. Peking betrachtete die Konferenz als Einmischung in Chinas Angelegenheiten und veranlaßte die Schließung des Pekinger Büros der Stiftung. In Deutschland wurde nun die China-Politik der Bundesregierung heftig diskutiert ; schließlich wollte man sich von chinesischer Seite nichts diktieren lassen. Im Bundestag wurde eine Tibet-Resolution verabschiedet, die die Tibet-Politik Chinas scharf verurteilt und Peking schwere Menschenrechtsverletzungen vorwirft. Daraufhin hat die Regierung der Volksrepublik den bevorstehenden Besuch des deutschen Außenministers abgelehnt und Kinkel ausgeladen. Als Antwort darauf hat Bauminister Töpfer (CDU) seine geplante China-Reise annulliert. Auch Umweltministerin Merkel (CDU) sagte ihren Oktober-Besuch in China ab. Und Verteidigungsminister Rühe (CDU) will auf einem deutsch-chinesischen Offizierstreffen nicht erscheinen.

Wollte der Kanzler noch bei seinem Besuch in China nichts von offener Kritik an den Menschrechtsverletzungen wissen, so wurde die Bundesregierung jetzt sozusagen von chinesischer Seite zu Glaubwürdigkeit in der Frage der Menschenrechte gezwungen.

billigen : goedkeuren, einschüchtern : intimideren, sich um etwas reißen : vechten om iets, der Vorwurf : verwijt, jemanden zur Weißglut bringen : iemand gloeiend kwaad maken.

Handelspartner China zur Weißglut gebracht ?

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