Während des 28. Internationalen Filmfestivals von Brüssel wurde Volker Schlöndorff für sein Gesamtwerk geehrt. Der im durchrüttelten Deutschland der siebziger Jahre mit bemerkenswerten Literaturverfilmungen bekannt gewordene Regisseur hatte damals auch in Paris, an der Seite von ‘Nouvelle vague’-Kollegen gearbeitet. Damit war er in Deutschland ein intellektueller Filmemacher – so wie auch Fassbinder, Herzog und Wenders.

In Deutschland werden Intellektuelle zu Lebzeiten nur selten geliebt und gerne als subversive Aktivisten angesehen. Erfolg und Ruhm gab es für die so genannten intellektuellen Filmemacher also zunächst nur im Ausland und erst dann in Deutschland.

Das Programm des diesjährigen Brüsseler Filmfestivals machte jedoch klar, dass neben den bekannten Filmemachern des neuen deutschen Films und auch über die für den nationalen Markt produzierten Blödelstreifen hinaus, heute noch andere Filme in Deutschland gemacht werden.

Es gibt eine Reihe von ‘Turkus’ und ‘Kurdus’ – wie Türken und Kurden der Kreativszene sich selbst nennen – die seit einigen Jahren ihre Geschichten erzählen. Diese Filmemacher, Schriftsteller, DJs, Transen, Hip- und Trip-Hopper der dritten Migrantengeneration räumen mit dem Heimat-Fremde-Problem der ersten Einwanderergeneration und dem Klischee des bemitleidenswerten Ausländers auf und wollen ihre Identität nicht definieren oder definiert sehen, sondern selbstbewusst im Großstadtzirkus mitagieren. In Städten wie Berlin, Hamburg und Köln bewegt sich etwas, dort kann die Kultur der Kanakster, Kanakstas, Kanaks und Kanakern sich auf vielfältige Weise entfalten. Identitätssuche zwischen Kulturen ist für den 28-jährigen Regisseur Fatih Akin kein Thema mehr. In seinem Film Kurz und schmerzlos von 1998 wird die bedingungslose Freundschaft zwischen einem Türken, einem Serben und einem Griechen erzählt. Akin hat seinen Stoff zu Hause in Hamburg-Altona gefunden. Dort gebe es im Alltag keine Probleme zwischen den drei Nationen und daher sei die in seinem Film dargestellte Einheit auch keine Wunschvorstellung, sondern ein Faktum. Regisseur Fatih Akin hat mal gesagt, dass Scorsese und die anderen Italo-Amerikaner 70 Jahre brauchten bis sie anfingen, ihre Filme zu machen. Die Algerien-Franzosen hätten 30 Jahre für ihr ‘Cinéma beur’ gebraucht. Die Kanakster seien schneller, sie würden jetzt bereits loslegen.

Nicht nur Akin sondern auch andere Regisseure, wie Yüksel Yavuz, Kutlug Ataman, Thomas Arslan und Hussi Kutlucan machten in den letzten Jahren von sich reden. Kutlucan, der Regisseur von Ich Chef, du Turnschuh, hat eine klassische Berliner Karriere hinter sich. Mit blondgefärbten Haaren war er in der Berliner Hausbesetzerszene dabei und eines der Gründungsmitglieder der deutschen Kultband Die Ärzte. Wenn er in seinem Film Asylbewerber aus Armenien ein paar Quadratmeter ihrer Baustelle am Berliner Potsdamer Platz mit viel Trubel besetzen lässt, weil der Vorarbeiter den Lohn nicht auszahlt, dann weiß Kutlucan was er erzählt und präsentiert dem Publikum eine wahre deutsche Arbeiterkomödie.

Neben den Turkus gehört ebenfalls der in Tadschikistan geborene, in Moskau zur Filmhochschule gegangene und in Berlin lebende Regisseur Bakhtiar Khudojnazarov zu den neuen deutschen Regisseuren. Er drehte in Usbekistan mit Schauspieler Moritz Bleibtreu den Film Luna Papa, einem zentralasiatischen märchenhaften Roadmovie, in dem sich das Publikum auf die Suche nach dem Erzeuger des Erzählers macht.

Trotz aller Anstrengung sind deutsche Filme beim breiten internationalen Publikum noch kein Begriff. Das soll sich aber mit Erfolgsregisseur Tom Tykwer ändern, der nach dem rasanten Berlin-Film Lola rennt in Oktober mit Der Krieger und die Kaiserin in die Kinos kam und eine phantastische, über dem Boden seiner Heimatstadt Wuppertal schwebende Liebesgeschichte filmte. Tykwer versteht sein Handwerk und lässt sich nicht auf ein Genre festlegen. Von Die tödliche Maria bis zu Der Krieger und die Kaiserin nutzt Tykwer jeden Quadratzentimeter der Kinoleinwand.

bedingungslos: onvoorwaardelijk.

blödeln: flauwe kul verkopen.

schmerzlos: pijnloos.

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